Lina Miszori ist seit August als Stipendiatin des Parlamentarischen Patenschafts-Programms(PPP) in Amerika. Für ihren Wahlkreisabgeordneten Johannes Steiniger schreibt sie regelmäßige Berichte aus Virginia Beach. Hier Ihre ersten Eindrücke:
Fast Food, dicke Autos und Nationalstolz, das waren die ersten Dinge, die mir einfielen, als ich vor meiner Abreise nach Virginia Beach an die USA dachte. Vor einem Monat bin ich hier angekommen und werde jeden Tag aufs Neue mit Meinungen und Vorurteilen anderer über Deutschland aber auch mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert. Die oben genannten Dinge stechen mir schon besonders ins Auge, aber ich erfahre hier immer wieder aufs Neue, dass dieses Land und alle anderen Länder und Kulturen auf dieser Welt viel mehr sind als das Bild und vielleicht auch die Klischees, welche wir von ihnen im Kopf haben.
Meine Erstbegegnung mit den Amerikanern sollte ganz anders verlaufen. Beim Zwischenstopp auf dem Flughafen in Chicago gab es in der Kofferausgabe ein sehr großes Tohuwabohu. Meine Gruppe musste über zwei Stunden auf ihre Koffer warten. Zu viele Flieger waren gleichzeitig gelandet und die wenigen Mitarbeiter völlig überfordert. Viele Gepäckstücke waren beschädigt oder kamen gar nicht aufs Band. Als mein Koffer unversehrt nach etwa zwei Stunden auf dem Band stand, war ich zunächst überglücklich.
Leider verpasste ich dennoch meinen Weiterflug nach Norfolk. Ohne funktionierendes Handy, alleine über Nacht am Flughafen in Chicago stecken geblieben, bekam ich plötzlich das Gefühl, an meinem ganzen Aufenthalt zu zweifeln, bevor das Abenteuer überhaupt angefangen hatte. Ich konnte in diesem Moment nur noch weinen.
Und dann geschah etwas, das mich sehr überraschen sollte. Es war die Hilfsbereitschaft der Amerikaner. Ganz viele verschiedene Menschen kamen auf mich zu und boten mir spontan ihre Hilfe an. Eine Frau gab mir zehn Dollar, man fand einen Dolmetscher, den ich aber gar nicht brauchte, die Heilsarmee kam und brachte mir eine Decke für die Nacht im Flughafen und Essensmarken. Ohne die Menschen, die sich einfach nur Zeit genommen haben und mir auch mitten in der Nacht Geschichten über ihr Leben und ihren Job erzählt haben, wäre diese Erfahrung, den Weiterflug verpasst zu haben und alleine auf dem Flughafen zu übernachten, sicherlich viel beängstigender gewesen.
Bei meiner Ankunft in Virginia Beach konnte ich weitere sehr schöne Erfahrungen sammeln. Ich erinnere mich noch an mein erstes Baseballmatch, zu dem ich von einer Person aus der jüdischen Gemeinde meiner Gastmutter, spontan mitgenommen wurde, obwohl ich sie erst seit knapp einer Stunde kannte. Baseball wird aber definitiv nicht mein bestes Erlebnis, vor allem weil mir niemand erklärt hat, dass ein Spiel über vier Stunden dauern kann und viele Zuschauer nur dabei sind um sich mit ihren Freunden zu treffen und zu unterhalten...
Das Miteinander der Amerikaner erscheint mir bisher aber oft oberflächlich. Als ein sehr diskussionsfreudiger und offener Mensch fühle ich mich manchmal von dem ständigen “Durch die Blume”-Gerede erdrückt. Aber nur weil anders kommuniziert wird, bedeutet das nicht, dass die Menschenoberflächlich oder wirklich immer nur glücklich sind. Aber das verunsichert mich, denn das Leben in einem anderen Land ist wie eine Achterbahnfahrt, in meinen ersten Tagen fühle ich mich manchmal auch ein bisschen traurig und verloren und manchmal bin ich einfach nur fasziniert, zum Beispiel beim Ausprobieren von Sprühkäse.
Die Faszination beruht definitiv auf Gegenseitigkeit. Für die meisten Amerikaner bin ich die erste Deutsche, die sie treffen und ich werde jeden Tag mit konstruktiven und weniger konstruktiven Fragenkonfrontiert. Die erste Frage, die mir gestellt wurde, ist, ob wir in Deutschland Bananen haben. Obwohl ich in dieser Situation lachen musste, ist es für mich sehr wichtig ernsthaft zubleiben und über das Leben in Deutschland zu berichten. Denn wie viel wissen wir denn über das wirkliche Leben in Amerika?
Nur wenn man sich wertschätzend und vor allem ohne den anderen direkt “abzustempeln” begegnet, kommt man an den Punkt, an dem man eben auch mehr als über Oberflächliches spricht. So kann ich zum Beispiel mit meiner Gastmutter auch über die Schattenseiten Amerikas reden. Sie arbeitet als Opferanwältin mit der Polizei zusammen. Die geschilderte Gewalt schockiert mich und häufig bin ich diejenige, die versucht zu allgemeineren Themen zurück zukommen, bei denen auch ich meine Perspektive einbringen kann.
Es erfüllt mich jedes Mal mit Stolz, wenn Leute mir nach einer Konversation mitteilen, dass sie Deutschland bereisen wollen oder zu mir kommen, weil sie etwas über unser Land wissen wollen. Und so freue ich mich sogar auf die im ersten Augenblick "dummen" Fragen, die mich in den nächsten Monaten erwarten. Ich bleibe dran und melde mich wieder. Versprochen.