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Warum ich für die doppelte Widerspruchslösung gestimmt habe

Organspende zutiefst persönliches Thema

Hand aufs Herz: Organspende ist kein angenehmes Thema. Die Frage, ob man selbst Organspender sein möchte, erst recht. Denn wenn wir uns mit dieser Frage beschäftigen, müssen wir uns mit dem eigenen Tod beschäftigen. Soll es im Fall des eigenen Todes möglich sein, dass mir selbst ein Organ entnommen und einem anderen Menschen eingesetzt wird? Wir müssen uns zudem mit einer Situation auseinandersetzen, vor der wir Angst haben; etwa dass wir einen sehr schweren Unfall haben und der Hirntod festgestellt wird.

Aber gleichzeitig ist sehr vielen von uns bewusst, dass wir krank werden und auf ein Spenderorgan angewiesen sein können. Fast 90 Prozent der Deutschen würden selbst ein fremdes Organ annehmen. Nur ein gutes Viertel aller Deutschen besitzt jedoch einen Organspendeausweis und hat darin die eigene Spendenbereitschaft festgehalten. Ein großes Dilemma! Und wohl der Grund, warum viele von uns eine Beschäftigung mit diesem unangenehmen Thema immer wieder vor sich her schieben und sich nicht entscheiden.

Bisherige Maßnahmen weitgehend wirkungslos

Dabei haben sämtliche bisherigen Informationskampagnen wenig Wirkung gezeigt. 10.000 Menschen stehen auf der Warteliste für ein Spenderorgan, knapp 1.000 Menschen sterben jährlich auf den Wartelisten und mit 938 Organspenden haben wir im vergangenen Jahr einen Tiefststand bei den Organspenden in Deutschland erreicht. Deshalb habe ich heute nach reiflicher Abwägung der Argumente für die Widerspruchslösung gestimmt, um diesem Dilemma Herr zu werden.

Doppelte Widerspruchslösung erhält die freie Entscheidung

Der Kerngedanke des Vorschlags ist folgender: Jeder Mensch in Deutschland wird dazu verpflichtet, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen. Es ist kein Zwang zur Organspende, aber ein Zwang zur Entscheidung.

Jeder gilt zunächst als potenzieller Organspender, kann dem aber jederzeit unbürokratisch widersprechen. Falls das nicht zu Lebzeiten passiert, werden die Angehörigen nach dem bekannten Willen der Verstorbenen gefragt. Alle Bürger in Deutschland sollen zum Inkrafttreten des Gesetzes und zukünftig alle mit dem sechzehnten Geburtstag drei Mal angeschrieben und über die Rechtslage aufgeklärt werden. Jeder weiß daher, wie die rechtliche Lage ist und auf welchem Wege er widersprechen kann.

Die Organspende bleibt damit eine freie und persönliche Entscheidung. Wir fordern allerdings von den Menschen in Deutschland ab, sich einmal im Leben sehr bewusst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob man Organspender werden möchte oder nicht.

Aktive Auseinandersetzung ist zumutbar

Ich denke, dass mündigen Bürgerinnen und Bürgern guten Gewissens zuzutrauen und zuzumuten ist, ein „Nein“ aktiv auszusprechen. Das ist angesichts der bedrückenden Lage der niedrigen Spenderzahlen und der Zahl unnötig leidender und sterbender Menschen aus meiner Sicht auch notwendig und ethisch gut vertretbar. Deutschland ist Schlusslicht in Europa und muss mehr als alle anderen Länder über das europäische System Eurotransplant auf Organe aus denjenigen Nachbarländern zurückgreifen, die bereits die Widerspruchslösung eingeführt haben.

Erfolgreichen Vorbildern anderer Staaten folgen

Viele dieser Länder haben mit der Widerspruchslösung gute Erfahrungen gemacht, so etwa Spanien, Österreich oder die Niederlande. Wichtigste Erkenntnis ist eine durch die Widerspruchslösung veränderte gesellschaftliche Haltung: Nehmen und Geben, gelebte Solidarität auch in der Not. Jeder Bürger kann erwarten, eine Transplantation zu erhalten und ist im Gegenzug bereit, im Sinne des Gemeinwohls, auch eine Spende zu leisten.

Debatte als Ausgangspunkt für weitere Verbesserungen

Fest steht aber auch: Die Widerspruchsregelung löst nicht alle Probleme. Nur wenn strukturelle und finanzielle Hindernisse überwunden werden, erhöht sich die Melderate der Krankenhäuser. Die Widerspruchslösung ist aber ein erster und wichtiger Schritt. Voraussetzungen für die Zukunft sind eine umfassende Information der Bevölkerung und die Gewissheit, dass jeglicher Missbrauch bekämpft wird. Wir sollten den Schwung der heutigen Debatte daher nutzen, um hier noch weitere Verbesserungen anzugehen.

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