In der Fuldaer Zeitung habe ich Position bezogen zum Urteil des EU-Gerichtshofs zum Kindergeld. Folgendes habe ich geschrieben:
Mit seinem Urteil zum Kindergeld für EU-Ausländer schadet der Europäische Gerichtshof der Akzeptanz der Europäischen Union. Es ist ein gefundenes Fressen für Populisten, die Stimmung gegen die EU in unserem Land machen wollen. Dabei ist es eigentlich die Aufgabe des Gerichts, den europäischen Gedanken zu verteidigen. Vor wenigen Tagen hat der EuGH in Luxemburg entschieden, dass auch solche EU-Ausländer Kindergeld erhalten sollen, die in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland keiner Arbeit nachgehen. Geklagt hatte eine Bulgarin mit drei Kindern, der nun Recht gegeben wurde.
Der Gerichtshof kippt damit eine Regelung, die die Große Koalition erst 2019 in einem Gesetz gegen Sozialleistungsmissbrauch eingeführt hatte. Ziel des Maßnahmenpakets war es, den damals grassierenden Missbrauch insbesondere von Kindergeld zu bekämpfen. Die Bundesregierung hatte auf die zahlreichen Hilferufe von Bürgermeistern vor allen Dingen aus dem Ruhrgebiet reagiert. So klagte der Oberbürgermeister von Duisburg Link (SPD) über eine große Anzahl von Armutsflüchtlingen, organisiertem Missbrauch von Sozialleistungen und dem Verkommen ganzer Straßenzüge. Alleine in Düsseldorf und Wuppertal wurden 2018 über 400.000 Euro Kindergeldunberechtigt von EU-Ausländern bezogen. In mehreren Gesetzesänderungen haben wir damals den Behörden schärfere Ermittlungsbefugnisse an die Hand gegeben und den Datenaustausch zwischen Familienkassen und Zoll erleichtert.
Hauptsächlich ging es aber auch darum, die Anreize zu reduzieren, nur wegen des Kindergelds nach Deutschland zu kommen. Denn wir müssen uns ehrlich machen: Die Einkommens- und Wohlstandsunterschiede in der EU sind groß. Das durchschnittliche monatliche Einkommen in Bulgarien liegt bei ca. 800 Euro. Dagegen erhält man pro Kind aktuell in Deutschland allein 219 Euro Kindergeld. Deshalb wurde die vernünftige Regelung eingeführt, dass in den ersten drei Monaten kein Kindergeldanspruch besteht, wenn man keiner Arbeit nachgeht. Danach muss sowieso eine Beschäftigung nachgewiesen werden, um in Deutschland bleiben zu dürfen.
Das Gesetz war erfolgreich: In den letzten drei Jahren ist die Anzahl der Missbrauchsfälle zurückgegangen und gerade Nordrhein-Westfalen hat Großaktionen gegen Kindergeld-Betrug durchgeführt und ganze Banden-Ringe aufgelöst.
Diesen Erfolg setzen wir jetzt aufs Spiel: Durch das Urteil des EuGH wird der Kampf gegen Kindergeldmissbrauch erschwert und die Anreize wieder erhöht, nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland zu kommen. Viele Bürger in Deutschland werden hierfür zu Recht kein Verständnis haben. Damit ist das Urteil auch für Rechtspopulisten und Europafeinde ein gefundenes Fressen, um mal wieder die Idee der Europäischen Union an sich zu diskreditieren. Dies dürfen wir als Demokraten und überzeugte Europäer niemals zulassen.
Deshalb muss die Bundesregierung das Urteil ernst nehmen und unverzüglich eine neue gesetzliche Grundlage schaffen, die Anreize unterbindet, nur wegen des Kindergelds nach Deutschland zu kommen.