Emotionale Debatte mit wichtigem Ziel
Derzeit bewegt uns ein Thema im Deutschen Bundestag, das uns alle angeht und nahe geht. Es geht um die Organspende. Alle Abgeordnete eint, dass wir die Zahl der Organspenden erhöhen wollen. Denn bis zu 10.000 Menschen warten in Deutschland auf ein lebensrettendes Organ. Deutschland ist Spenden-Schlusslicht in Europa. Jeden Tag sterben Menschen an ihren Erkrankungen, da sie vergeblich gewartet haben. Jährlich sterben bis zu 2.000 Menschen auf der Warteliste. Nun führen wir zur Organspende eine Debatte, die uns als Gesellschaft insgesamt und jeden einzelnen Bürger ganz unmittelbar berührt.
Ich selbst habe den Gesetzentwurf von Jens Spahn für eine doppelte Widerspruchslösung mitgezeichnet. Der Kern unseres gemeinsamen Antrags ist: Alle volljährigen und melderechtlich erfassten Bürger gelten als potenzielle Organspender, können dem aber jederzeit unbürokratisch widersprechen. Falls das nicht zu Lebzeiten passiert, werden die Angehörigen immer nach dem ihnen bekannten Willen der Verstorbenen gefragt. Alle Bürger in Deutschland sollen zum Inkrafttreten des Gesetzes und zukünftig alle mit dem 16. Geburtstag drei Mal angeschrieben und über die Rechtslage aufgeklärt werden.
Aktive Auseinandersetzung ist zumutbar
Einen heimlichen Automatismus zur Organspende wird es somit nicht geben. Die Organspende bleibt eine freie und persönliche Entscheidung. Wir fordern allerdings den Menschen in Deutschland ab, sich einmal im Leben sehr bewusst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob man Organspender werden möchten oder nicht.
Ich denke, dass mündigen Bürgerinnen und Bürgern guten Gewissens zuzutrauen und zuzumuten ist, ein „Nein“ aktiv auszusprechen. Das ist angesichts der bedrückenden Lage eines Spendertiefststandes und der Zahl der unnötig leidenden und sterbenden Menschen aus meiner Sicht auch notwendig und ethisch gut vertretbar. Der Nationale Ethikrat hat die Einführung einer Widerspruchslösung 2007 als eine „dem Staat obliegende Schutzpflicht zugunsten des menschlichen Lebens“ bewertet. Diese Auffassung teilen wir in unserem Antrag.
Erfolgreichen Vorbildern anderer Staaten folgen
Viele andere europäische Länder haben mit der Widerspruchslösung gute Erfahrungen gemacht, so etwa Spanien, Österreich oder die Niederlande. Ein zentraler Grund wird dort in einer durch die Widerspruchslösung veränderten gesellschaftlichen Haltung gesehen: Nehmen und Geben, gelebte Solidarität auch in der Not. Jeder Bürger kann erwarten, eine Transplantation zu erhalten und ist im Gegenzug bereit, im Sinne des Gemeinwohls, auch eine Spende zu leisten.
Die Organspende ist eine solidarische Aufgabe der Gemeinschaft zum Nutzen aller. Eine solche Haltung wollen wir auch in Deutschland fördern. Die Widerspruchslösung halten wir nach reiflicher Überlegung für die beste Lösung, um den Fortschritt zu erzielen, den wir dringend brauchen.