Ein letztes Mal melde ich mich von der anderen Seite des Atlantiks. Obwohl man meinen ganzen Aufenthalt als "Anders als geplant" zusammenfassen kann, würde ich am liebsten ein weiteres Jahr bleiben.
Natürlich vermisse ich einiges in Deutschland, wie die Infrastruktur oder unsere Redewendungen. Jedoch bin ich überzeugt, dass Zuhause ein Gefühl ist und überall gefunden werden kann. Da Schüler in den USA 12 Wochen Sommerferien haben, ist mein Schulaufenthalt schon vorbei. Immerhin hatte ich vor einiger Zeit Prom, was sich mit einem Abiball vergleichen lässt. Traditionell ist man nur mit einem Date auf den Tanz gegangen. Zum Glück ist das nicht mehr so, jedoch werden immer noch sehr viele Menschen mit einem Plakat gefragt, ob sie zusammen gehen möchten. Und so war ich sehr überrascht, als plötzlich ein Freund von mir mit einem großen Schild im Garten stand.
Neben all dem Organisatorischen verbringe ich viel Zeit, um Abschied zu nehmen. Meine Freunde haben eine Abschiedsparty geschmissen und selbst Bekannte schreiben mir nette Nachrichten. Der freundliche Smalltalk und die ständigen Komplimente, welche ich anfangs nicht einordnen konnte, empfinde ich jetzt als wohltuend. Jedoch fühle ich mich auch oft missverstanden, da Umziehen hier zum Alltag gehört und häufig als kein großer Deal angesehen wird. Wie normal es ist, den Ort zu wechseln, an dem man lebt, habe ich selbst miterlebt, als meine alte Gastfamilie umgezogen ist. Auch meine Freunde erzählen mir öfter von den zahlreichen Plätzen, wo sie schon gelebt haben.
Virginia Beach hat eine große Militärpräsenz, ein weiterer Grund, weshalb hier besonders viel umgezogen wird. Jedoch ist der Respekt Soldaten gegenüber sehr hoch. Regelmäßig hört man den Satz “Danke für Ihre Dienste” und es gibt Rabatte. Dinge wie der Militär-Privatstrand oder die Hälfte des Eintritts im Freizeitpark machen den Beruf besonders attraktiv, jedoch gibt es natürlich auch Nachteile. Was mir hier allerdings bewusst wurde: Egal wie sehr wir ein spezifisches Leben möchten, sobald wir es leben, merken wir, dass es gar nicht so perfekt ist.
Wenn ich meinen Aufenthalt reflektiere, habe ich zum Beispiel lange gebraucht, um ein passendes Hobby zu finden. Zwar war ich einige Monate im Leichtathletik Team, jedoch war die körperliche Belastung mit sechsmal die Woche 2 Stunden Training zu hoch für mich. Was ich jetzt zum Ende für mich entdeckt habe, ist surfen. Zwar fliegt mir das Bord häufiger ums Gesicht als ich Wellen reite, jedoch zahlt sich das alles zurück, sobald ich den ersten Delfin sehe.
Reisen ist nicht immer toll. Jedoch wünsche ich jedem, diese Erfahrungen machen zu können. Wir müssen nicht den teuersten Urlaub machen oder in das entfernteste Land reisen, um eine andere Perspektive zu sehen. Wenn wir unsere Heimat und das, was wir gewohnt sind, verlassen, verlassen wir unsere Komfortzone. Mut ist nichts, mit dem wir geboren sind. Die Zeit, bevor ich losgeflogen bin, war für mich persönlich nicht perfekt um für ein Jahr nach Amerika aufzubrechen. Tatsächlich hätte ich mehr als nur einmal fast abgebrochen, bevor es überhaupt losging. Im Endeffekt bin ich glücklich, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört und es einfach gemacht habe. Und so fordere ich euch auch auf, nie aufhören, neugierig zu sein, Fragen zu stellen und die Welt zu entdecken.